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BAG-Entscheidung zur Zeiterfassung

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Betriebe generell zur Erfassung der Arbeitszeit ihrer Beschäftigten verpflichtet sind. Sie müssen ein System einführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann.

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Betriebe generell zur Erfassung der Arbeitszeit ihrer Beschäftigten verpflichtet sind. Im Einzelnen:  

I. Der EuGH hatte 2019 bereits im sogenannten CCOO-Urteil entschieden, dass die EU-Mitgliedstaaten Arbeitgeber verpflichten müssen, ein System einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit erfasst werden kann. Die konkrete Ausgestaltung eines solchen Systems obliege den Mitgliedstaaten der EU und erlaube dabei die Berücksichtigung von Besonderheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereichs, unter anderem der Betriebsgröße.  

An der bisherigen Rechtslage in Deutschland änderte sich durch die EuGH-Entscheidung bis auf Weiteres nichts: Nach bisher geltendem deutschem Arbeitsrecht bestand für Handwerksbäckereien bisher keine allgemeine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung – eine solche Pflicht bestand nur für

 
1. geringfügig Beschäftigte,  

2. die werktägliche Arbeitszeit, die über 8 Stunden hinausgeht, 

3. je nach Einzelfall für Auslieferungsfahrer aufgrund des einschlägigen Regelwerks für den Straßenverkehr. 


Diese Rechtslage blieb nach der EuGH-Entscheidung für die Mitgliedsbetriebe bis auf Weiteres unverändert. Die EuGH-Entscheidung verpflichtete nämlich nur die EU-Mitgliedstaaten zu prüfen, ob und welche konkreten Maßnahmen zur Umsetzung in nationales Recht erforderlich sind. Die Bundesrepublik Deutschland war hier bisher untätig geblieben. 

Der Zentralverband hatte sich in den letzten drei Jahren gemeinsam mit ZDH und BDA gegenüber der Politik dafür eingesetzt, bei der Umsetzung der EuGH-Entscheidung KMU von einer generellen Pflicht zur Arbeitszeiterfassung auszunehmen und drohende Bürokratielasten für sie möglichst gering zu halten.  

 

II. Das Bundesarbeitsministerium unternahm im Frühjahr 2022 einen Anlauf, eine elektronische Arbeitszeiterfassungspflicht für Minijobber einzuführen. Nach scharfem Protest des Zentralverbandes und weiterer Wirtschaftsverbände wurde dieses Gesetzesvorhaben jedoch vom Bundesarbeitsministerium wieder gestoppt.  

   

III. Nun hat das Bundesarbeitsgericht im September 2022 entschieden, dass die Betriebe generell zur Erfassung der Arbeitszeit ihrer Beschäftigten verpflichtet sind. Die Betriebe müssen danach ein System einführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Das ergebe eine sogenannte unionsrechtskonforme Auslegung von § 3 ArbSchG (BAG v. 13.9.22, Az.: 1 ABR 22/21).  

 

Bewertung und Kritik des Zentralverbandes:  

Aufgrund der BAG-Entscheidung sollten die Betriebe bis auf Weiteres davon ausgehen, dass sie verpflichtet sind, die Arbeit für alle Beschäftigten zu erfassen – also nicht nur für Minijobber und Auslieferungsfahrer, sondern nunmehr auch für alle anderen Beschäftigten, auch für leitende Angestellte sowie Arbeitnehmer, für die bisher Vertrauensarbeitszeit galt.  

Die BAG-Entscheidung liegt derzeit nur in Form einer Pressemitteilung vor. Manche Fragen, die sich den Betrieben in der Praxis stellen, sind danach noch leider unklar. So etwa, ob wie bisher auch Arbeitszeiten auf vielerlei Weise erfasst werden können - per Stechuhr, digital (zum Beispiel über eine App) oder handschriftlich und ob die Erfassung auch weiterhin an die Mitarbeiter delegiert werden kann. Eine Beurteilung dieser Fragen wird erst nach Auswertung der schriftlichen Entscheidungsgründe möglich sein, die derzeit nach wie vor noch nicht vorliegen. 

Die BAG-Entscheidung ist in jedem Fall überraschend und schwer nachvollziehbar. Die EuGH-Entscheidung aus dem Jahr 2019 gab eine Ausweitung der Arbeitszeiterfassung auf sämtliche Beschäftigten aller Branchen nicht vor. Eine Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber steht nach wie vor aus. Eine 1:1-Umsetzung der BAG-Entscheidung durch die Politik würde die Bürokratielasten gerade auch für KMU erheblich erhöhen – was gerade in der aktuellen Situation vermieden werden sollte. Sie könnte das Aus für viele flexible Arbeitszeitregelungen in den Betrieben bedeuten – etwa von Vertrauensarbeitszeit.  

Es ist zu erwarten, dass die Politik bei dem Thema nun tätig wird und die Rechtsprechung des EuGH und des BAG in gesetzliche Regelungen umsetzt. Der Zentralverband wird sich gemeinsam mit ZDH und BDA weiter dafür einsetzen, dass bei der Umsetzung Ausnahmen für KMU vorgesehen werden. Unabhängig davon sollten die Betriebe mit ihren Mitarbeitern über das Thema reden und Unsicherheiten klären, um etwaigen Konflikten zum Thema Arbeitszeiterfassung vorzubeugen.  

 

Stand: 12. Oktober 2022